NRW setzt beim Nachbarschaftsstreit auf außergerichtliche Schlichtung

Nicht immer muss der Streit unter Nachbarn gerichtlich gelöst werden. Erfolge gibt es auch bei unabhängigen Schiedsleuten. Das spart Zeit und Kosten.

Zwei Personen streiten sich über den GArtenzaun hinweg über die Höhe einer Hecke  © Verband Wohneigentum NRW e.V.
Nachbarschaftliche Auseinandersetzungen müssen nicht zwingend gerichtlich gelöst werden. 

Lärm vom Rasenmäher und laute Musik in der Mittagszeit, Bäume und Sträucher, die aufs Grundstück ragen, Qualm von Nachbars Grill, der ins Wohnzimmer zieht – Anlässe für Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es reichlich. Doch damit immer gleich die Gerichte behelligen? Das Land möchte unsere Gerichte entlasten und Kosten reduzieren, denn heute schon ziehen sich viele Verfahren über Jahre hin. Die Justiz in Nordrhein-Westfalen wählt beim Nachbarrecht deshalb den Weg der Streitschlichtung durch unabhängige Schiedsleute.

Erst wenn sich hierbei keine Einigung erzielen lässt (wahlweise mit oder ohne anwaltliche Hilfe), kann die Angelegenheit vor Gericht ausgefochten werden.

Wo finde ich eine Schiedsperson?

Geregelt ist diese Vorgehensweise für Nordrhein-Westfalen in den Paragraphen 41ff. Justizgesetz Nordrhein-Westfalen. Doch wie lässt sich eine Schiedsperson finden? Nach Angaben von Stephan Dingler, Rechtsberater beim Verband Wohneigentum NRW e.V., ist dies ganz einfach: „Für das Schlichtungsverfahren ist immer die Schiedsperson zuständig, in deren Bezirk die Gegenpartei wohnt. Um sie zu ermitteln, wendet man sich direkt an das zuständige Amtsgericht. Dort erhält man eine Liste der betreffenden Schiedsfrauen/Schiedsmänner.

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Wie ist die Vorgehensweise?

Ist eine Schiedsperson gefunden, nimmt man Kontakt auf und beantragt unter Schilderung des Sachverhaltes eine Schlichtungsverhandlung. Solch eine Schlichtungsverhandlung findet meist in der Privatwohnung der Schiedsperson statt. Bei anderen Gütestellen (z.B. Anwaltsverein) können dies auch Büros sein. Ziel ist, dass die beiden Parteien in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre ihren Streit beilegen und der soziale Frieden wieder hergestellt wird. Die außergerichtliche Streitschlichtung ist oft der schnellste Weg, um solch eine Auseinandersetzung unbürokratisch und zu überschaubaren Kosten beizulegen. Mit Auslagen (z.B. Porto) kostet die Schlichtung nur zwischen 60,00 und 65,00 Euro, denn die Schiedsleute arbeiten ehrenamtlich. Die Schiedsperson legt fest, wer die Kosten zu tragen hat (Antragsteller oder Antragsgegner bzw. beide Seiten anteilig). Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht möglich.

Gang zum Anwalt erst im zweiten Schritt

Kommt es zu einer Einigung, gibt es ein Protokoll, das für vollstreckbar erklärt werden kann. Ein Beispiel: Hat eine Partei verbindlich zugesagt, im Herbst die Hecke zu schneiden und kommt dieser Verpflichtung nicht nach, kann aus dem Protokoll heraus vollstreckt werden – soweit es für vollstreckbar erklärt wurde. Können sich die Parteien nicht einigen, erhält der Antragsteller eine sogenannte Erfolglosigkeitsbescheinigung, mit der er einen Rechtsanwalt aufsuchen kann. Ein Schlichtungsverfahren vor dem Schiedsmann ist nicht mit der Güteberatung beim Rechtsanwalt gleichzusetzen. Auch kann und darf eine Schiedsperson keine individuelle Rechtsberatung geben.

Die Einhaltung dieser Schritte ist übrigens zwingende Voraussetzung für den Deckungsschutz der Rechtsschutzversicherung beim Verband Wohneigentum NRW e.V.

Auf Basis der Unterlagen der Schiedsperson bewertet der Anwalt die Erfolgsaussichten einer möglichen Klage. In NRW sind übrigens auch die Anwälte verpflichtet, auf das Schiedsverfahren als ersten Schritt zu Beilegung von Nachbarschaftsstreitigkeiten hinzuweisen.

Schiedsverfahren in Zahlen

Schiedsverfahren sind kein „Selbstzweck“. Nach dem Tätigkeitsbericht der Schiedspersonen im Jahre 2022, veröffentlicht im Justizministerialblatt NRW 2022, Nr. 10, gibt es in den drei OLG-Bezirken Düsseldorf, Hamm und Köln insgesamt 1.056 Schiedspersonen. Es wurden 3.951 Anträge auf Schlichtungsverhandlungen gestellt. In 2.976 Fällen sind beide Parteien zum Schlichtungstermin erschienen und es konnten 1.708 Fälle durch Vergleich erledigt werden. In 556 Fällen ist eine Partei nicht erschienen und es wurden insgesamt 789 Erfolglosigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Dies alles bezogen nur auf die Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Die Strafsachen sind hier nicht erwähnt, finden sich aber in der Aufstellung des Justizministeriums.