Gewohnheitsrecht: Das war schon immer so …

… und es gibt eigentlich keinen Grund, daran etwas zu ändern. Dieser Satz beschreibt, was mit Gewohnheitsrecht gemeint ist. Immer wieder kommt es zum Streit unter Nachbarn, weil sich eine Partei auf Gewohnheitsrechte beruft.

Nachbarn streiten sich am Gartenzaun, Frau gestikuliert mit den Händen  © Iakov Filimonov – stock.adobe.com
Weil sich eine Partei auf Gewohnheitsrechte beruft, kommt es immer wieder zum Streit unter Nachbarn. 

Was bedeutet „Gewohnheitsrecht“?

Gewohnheitsrecht ist ein ungeschriebenes, aber oft geltendes Recht. Zu einem Gewohnheitsrecht kann es kommen, wenn eine bestimmte Handlung oder Verfahrensweise über einen langen Zeitraum ausgeübt und dies von allen Beteiligten akzeptiert wird. Denn dann besteht ein ungeschriebener Anspruch, diese Handlung auch weiterhin auszuführen. Allerdings ist klar geregelt, dass gesetzeswidrige Handlungen niemals zum Gewohnheitsrecht werden können, selbst wenn sie über einen langen Zeitraum ausgeübt wurden. Ein Gewohnheitsrecht lässt sich auch nicht aus Handlungen ableiten, mit denen eine der betroffenen Parteien von Beginn an nicht einverstanden war.

Gewohnheitsrecht bei Eigentum

Immer wieder gibt es den Fall, dass ein Nachbar keinen eigenen Zugang zu seinem Haus hat und stattdessen die Einfahrt des anderen Eigentümers benutzt. Der Gesetzgeber spricht hier auch vom Wege- oder Notwegerecht.
Verfügt der Nachbar jedoch über einen weiteren Zugang zu seinem Haus und nutzt den Weg über die Einfahrt nur aus Bequemlichkeit, ändert sich die Sachlage sofort und der Anspruch auf das Gewohnheitsrecht entfällt. Denn § 917 BGB stellt hierzu klar, dass ein Notwegerecht nur dann besteht, wenn „die einem Grundstück zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsraum fehlt“. Eine nur dem persönlichen Bedürfnis des Eigentümers entsprechende Nutzung begründet somit kein Wege- oder Notwegerecht.
Möchte ein Nachbar sein Nutzungsrecht am Notweg dauerhaft absichern, muss er dies mit dem Eigentümer vertraglich vereinbaren und es dinglich absichern – also eine Eintragung ins Grundbuch veranlassen. Ohne diese besteht keinerlei Bestandsschutz.

Alltagsbeispiele und Rechtsprechung

Ein Eigentümer hat das Recht, sein Grundstück jederzeit einzuzäunen und anderen Personen den Zutritt zu verweigern. Gewohnheitsrechtliche Aspekte bleiben dabei unbeachtet. Allerdings muss sich der Eigentümer bei der Errichtung des Zaunes an die ortsüblichen Gegebenheiten halten. Dies bedeutet, dass die Einfriedung den örtlichen Verhältnissen (Ortsüblichkeit) entsprechen muss und in der Materialauswahl und Höhe nicht aus dem Rahmen fallen darf.
Nachbarn können sogar die Beseitigung oder Abänderung einer langjährig vorhandenen Umzäunung verlangen, wenn sich nur unter dieser Voraussetzung der nachbarrechtliche Anspruch auf eine ortsübliche Einfriedung verwirklichen lässt. Genauso können Eigentümer von einem Nachbarn verlangen, dass eine Einfriedung beseitigt wird, wenn sie beispielsweise aus gebrauchten Eisenbahnschwellen besteht. Vor allem dann, wenn die Gefahr besteht, dass von den Schwellen wegen ihrer Imprägnierung gesundheitsschädliche Ausdünstungen ausgehen. Der Zaunbesitzer kann sich dann nicht gewohnheitsrechtlich darauf berufen, dass die Eisenbahnschwellen schon seit Jahrzehnten bestehen.

Bestandsschutz

Eine andere Bezeichnung für Gewohnheitsrecht ist der Bestandsschutz. Die Frage des Bestandsschutzes ist z.B. bei sogenannten Schwarzbauten relevant; also dort, wo dem Grundsatz nach ein Bestandsschutz gewohnheitsrechtlich nicht entstehen kann. Wurde ein Haus beispielsweise aus Unkenntnis über das Grundstück hinaus auf dem Grundstück des Nachbarn errichtet, genießt man insoweit Bestandsschutz, dass die Immobilie nicht abgerissen werden muss. Wohl ist es aber wahrscheinlich, dass man dem Nachbarn für den Überbau eine Entschädigung zahlt oder ihm den Grundstücksteil abkaufen muss.

Gewohnheitsrecht auf Besitzstandswahrung

In manchen Kommunen entstehen neben reinen Wohngebieten auch Industrie- bzw. Gewerbegebiete oder störende Verkehrsflächen. Für betroffene Eigentümer stellt sich die Frage, ob derartige Nutzungen verhindert werden können, indem man sich gewohnheitsrechtlich auf eine Wahrung des Besitzstandes beruft. Oft werden solche Sachverhalte auch unter dem Gesichtspunkt der Enteignung diskutiert.
Die Rechtsprechung stellt darauf ab, dass die verfassungsmäßige Eigentumsgarantie nicht den Schutz des Grundstückeigentümers umfasst. Durch die Bauplanung kann die Nutzbarkeit anderer Grundstücke verändert werden. Eigentümer können sich also in solchen Fällen nicht auf Gewohnheitsrechte berufen und müssen die für sie negativen baurechtlichen Änderungen weitgehend akzeptieren.
Diese Beispiele zeigen, dass gerade im Immobilienbereich nachbarschaftliche Interessen eine wichtige Rolle spielen und zugleich eventuell bestehende gewohnheitsrechtliche Regeln relativiert werden.
Auskunft zu diesen wie auch allen weiteren Fragen rund um Haus und Garten gibt Ihnen Ihr Verband Wohneigentum NRW e.V.