Zwangsversteigerungen bei Immobilien

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Stephan Dingler

Rechtsanwalt

Eine Zwangsversteigerung kann für Hauskäufer eine Option darstellen. Doch es gibt da ein paar Fallen, die man vorher kennen sollte. Wir erklären, wie es beim Amtsgericht abläuft, welche Dokumente vorliegen sollten und wer überhaupt mitbieten darf.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zwangsversteigerte Immobilien werden am Amtsgericht verhandelt
  • Die Ausschreibung erfolgt über ein öffentliches Portal ZVG
  • Immobilien sind dort bis zu 30 Prozent unter dem Verkehrswert zu finden
  • Vermeintliches Schnäppchen kann sich als Kostenfalle herausstellen
  • Mitbieten kann, wer Sicherheitszahlung hinterlegen kann
  • Wer den Zuschlag erhält, kann nicht mehr zurücktreten
Zwangsversteigerung einer Immobilie beim Amtsgericht.  © chokniti – stock.adobe.com
Die Zwangsversteigerung einer Immobilie findet an einem Amtsgericht statt. 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zwangsversteigerte Immobilien werden am Amtsgericht verhandelt
  • Die Ausschreibung erfolgt über ein öffentliches Portal ZVG
  • Immobilien sind dort bis zu 30 Prozent unter dem Verkehrswert zu finden
  • Vermeintliches Schnäppchen kann sich als Kostenfalle herausstellen
  • Mitbieten kann, wer Sicherheitszahlung hinterlegen kann
  • Wer den Zuschlag erhält, kann nicht mehr zurücktreten

Was ist eine Immobilien-Zwangsversteigerung?

Eine Zwangsversteigerung für eine Immobilie wird vom Amtsgericht angeordnet. Es handelt sich dabei um eine gerichtliche Versteigerung, wenn der Besitzer der Immobilie seine Schulden nicht mehr begleichen kann. Mitunter wird ein Haus auch zwangsversteigert, wenn sich Paare nach der Scheidung nicht einigen können, was mit der Immobilie passieren soll. Das nennt sich Teilungsversteigerung oder Auseinandersetzungsvereinbarung.

Häuser aus Zwangsversteigerungen gelten allgemein als Schnäppchenimmobilien, denn die Kaufpreise für diese Immobilien liegen oft zwischen 10 bis 30 Prozent unter dem ortsüblichen Marktwert. Ein solcher Kauf ist allerdings nicht frei von Risiken.

Entwicklung der Zwangsversteigerungen: Zahl steigt

Bis zu den Corona-Jahren gab es in Deutschland eine deutlich sinkende Zahl an Zwangsversteigerungen, doch seit 2023 ist dieser Trend erstmals gebrochen. Die Zahl steigt wieder. Das berichten mehrere Medien – etwa das Handelsblatt. Grund seien die hohe Inflation, schwache Nachfrage und schlechte Konjunkturdaten. Deshalb prognostizieren Branchenkenner auch weiterhin eine „deutliche Zunahme der Zwangsversteigerung in den nächsten Jahren.“ Auch die immer noch hohen Kreditzinsen bringen Hauseigentümer mitunter ans Limit ihrer Finanzierungsmöglichkeiten. Im dicht besiedelten NRW ist der Anteil der zwangsversteigerten Immobilien mit am höchsten. Den Löwenanteil der zwangsversteigerten Immobilien stellten im Jahr 2023 Ein- und Zweifamilienhäuser, gefolgt von Eigentumswohnungen. Im Jahr 2023 wurden 12.332 Objekte zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben. Im Jahr 2024 ist die Zahl auf 13. 445 gestiegen. Das berichten das Handelsblatt und die Welt auf der Basis von Zahlen des Immobilien-Fachverlags Argetra.

Aber: Nicht alle zur Zwangsversteigerung ausgeschriebenen Immobilien landen tatsächlich vor dem Gericht. Eine gewisse Anzahl wird als so genannte Freihand-Verkäufe vorher vermittelt. Eine Art „Last-Minute Verkauf“, bei dem jedoch alle Gläubiger und das Amtsgericht zustimmen müssen. Auch diese Deals sind nicht ohne Risiken, bieten aber eine Art letzte Chance vor der endgültigen Versteigerung bei Gericht.

Tipp für Käufer: Es gibt im Internet diverse Plattformen, die sich auf Freihand-Verkäufe spezialisiert haben. Möglicherweise lässt sich ein günstiges Objekt finden. Beachten Sie dabei, dass Sie sich rechtlich beraten lassen.

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Termine der Zwangsversteigerungen im Blick haben

Wer sich für ein Haus oder eine Eigentumswohnung aus einer Zwangsversteigerung interessiert, der kann sich im Internet informieren. Mit dem so genannten ZVG-Portal haben die Landesjustizverwaltungen eine Plattform zur Information über Zwangsversteigerungsverfahren geschaffen. Dort kann man gezielt nach Immobilien oder Grundstücken suchen, die zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben sind. Die Suchmaske ist so konzipiert, dass man die Suche nach Bundesland, Stadt, Preis und Zeitraum eingrenzen kann.

Gut zu wissen: Unter dem Stichwort ZVG findet man im Internet zahlreiche Seiten, die sich optisch deutlich ansprechender als das Justiz-Portal als Plattform für bundesweite Zwangsversteigerungen präsentieren. Diese Plattformen sind jedoch privat geführte Webseiten, die nicht mit dem amtlichen ZVG-Portal der Justiz zu verwechseln sind. Wie sehr die privaten Webseiten eigenes wirtschaftliches Interesse in den Vordergrund stellen, ist hier nicht abschließend zu beantworten.

Welche Vorteile bietet eine Zwangsversteigerung für Käufer?

  • Möglicher Schnäppchenpreis (bis zu 30 Prozent unter dem Verkehrswert)
  • Geringere Kaufnebenkosten (entfallende Maklergebühren, Notarkosten)
  • Es liegt ein amtliches Gutachten zum Zustand des Hauses vor

Welche Nachteile hat eine Zwangsversteigerung für Käufer?

  • Mögliche Schäden in den Innenräumen sind in den offiziellen Gutachten nicht erfasst. Das Innere des Hauses dürfen auch amtliche Gutachter nicht besichtigen.
  • Mögliche Restschulden, drohende Erschließungskosten, unklare Grundbucheinträge schaffen Unsicherheit.
  • Es gibt kein Besichtigungsrecht für interessierte Käufer.
  • Sie können nicht von ihrer Ersteigerung zurücktreten.
  • Das Geld für den Kauf ist innerhalb sechs Wochen fällig. Die Finanzierung darf also nicht auf wackeligen Füßen stehen.
  • Steuern, Versicherungen und andere Verwaltungskosten kommen auf den Kaufpreis obendrauf.
  • Sollte sich der ehemalige Besitzer der Immobilie weigern, innerhalb einer bestimmten Frist auszuziehen, müssen Sie eine Räumungsklage durchsetzen. Das ist mit hohen Kosten verbunden, die Sie als neuer Eigentümer oftmals in Vorleistung erbringen müssen.
  • Sie bleiben auf Räumungskosten sitzen, weil der verschuldete Voreigentümer nicht zahlen kann.

Tipp: Der Verband rät Interessenten, vor dem Kauf ein Wertgutachten anzufordern sowie den Grundbucheintrag einzusehen.

„Das Gutachten zeigt den Verkehrswert an und beschreibt im Idealfall auch mögliche Baumängel. Allerdings spiegeln diese Gutachten oft nicht immer den tatsächlichen Zustand einer Immobilie wider“, erläutert Rechtsanwalt Stephan Dingler, Rechtsberater im Verband Wohneigentum NRW.

Die Gründe sind vielfältig. Mal wurde ein Gutachten vom Sachverständigen ohne eingehende Besichtigung des Objektes verfasst, ein anderes Mal ist es vielleicht schon einige Monate oder gar Jahre alt, weil sich das gesamte Zwangsversteigerungsverfahren hinzieht und etwaige neue Mängel nicht aufgenommen wurden.

Checkliste vor einer Zwangsversteigerung

  • Schauen Sie sich die Immobilie von außen an
  • Versuchen Sie mit dem Noch-Besitzer möglichst einen Termin zur Innenbesichtigung zu vereinbaren. Aber: Ein Recht darauf haben Sie nicht.
  • Hören Sie sich in der Nachbarschaft um. Gibt es Konflikte oder Unstimmigkeiten?
  • Machen Sie einen Termin beim Amtsgericht, um das dort hinterlegte Gutachten zum Zustand der Immobilie einzusehen
  • Wichtig: Unbedingt ein Grundbuchauszug anfordern und einsehen. Sind dort noch Schulden oder Hypotheken offen? Gibt es Dauerwohnrechte? Oder Wegerechte Dritter?
  • Sprechen Sie mit der Bank derjenigen, die die offenen Schulden „eintreiben“. Gibt es da ungeklärte Posten? Wann sind welche Raten fällig?
  • Klären Sie unbedingt Ihre Finanzen. Haben Sie genug Geld, um vor der Versteigerung eine Sicherheitsleistung von mindestens zehn Prozent des Verkehrswertes der Immobilie zu bezahlen?
  • Stellen Sie vor der Zwangsversteigerung sicher, dass die Sicherheitsleistung (Scheck oder Banküberweisung) an das Amtsgericht gezahlt wurde.

Ablauf einer Zwangsversteigerung am Amtsgericht

Die Zwangsversteigerung findet in der Regel an dem Amtsgericht statt, wo auch die Immobilie liegt.

1. Akt: Die Verlesung der Kennwerte der Immobilie und Organisatorisches

Folgende Punkte trägt ein Gerichtsdiener bei der Zwangsversteigerung vor:

  • Der Verkehrswert der Immobilie. Der Verkehrswert (also der Wert der Immobilie) wird über ein Gutachten festgelegt. Bieter können in der Regel eine Kopie des Gutachtens vom Amtsgericht anfordern. Meistens fordern die Gerichte für diese Dienstleistung ein Kopiergeld pro Seite. Oder Bieter informieren sich vor Ort während den Öffnungszeiten des Gerichtes – dort können sie das Gutachten einsehen und sich Notizen machen.
  • Das Mindestgebot (es darf nicht unterschritten werden). Häufig setzt das Amtsgericht im ersten Termin 50 Prozent des Verkehrswertes an,
  • Die Bietzeit (in der Regel etwa 30 bis 60 Minuten) In der Bietzeit dürfen alle Berechtigten ein Gebot abgeben. Mitbieten darf nur derjenige, der glaubhaft seine Liquidität darlegen kann. Konkret: Es muss eine Bankbürgschaft vorliegen oder ein Scheck, der einen Mindestbetrag von 10 Prozent des Verkehrswertes der Immobilie abdeckt. Das nennt man eine Sicherheitsleistung. Achtung: Bargeld ist nicht erlaubt in einer Zwangsversteigerung!
  • Das Gebot wird mündlich abgegeben. Außerdem muss ein Bieter einen gültigen Pass/Ausweis vorlegen, mindestens 18 Jahre alt sein sowie einen gültigen Aufenthaltstitel vorweisen können

2. Akt: Die Verhandlung über den Zuschlag

Anders als vielleicht angenommen, erhält nicht einfach das höchste Gebot den Zuschlag. Es muss zunächst hoch genug sein. Folgende zwei Regeln gibt es, die verhindern sollen, dass die Immobilie „verramschst“ wird.

  • Liegt das höchste Gebot nur 50 Prozent unter dem Verkehrswert, dann darf das Amtsgericht den Zuschlag nicht erteilen. Es wäre praktisch das Mindestgebot, was zu gering ist für den ersten Termin.
  • Erreicht das höchste Gebot nicht mindestens 70 Prozent des Verkehrswertes dürfen Gläubiger den Zuschlag verwehren. Dann muss das Amtsgericht einen neuen Versteigerungstermin ansetzen. Bei einem erneuten Termin kann es sein, dass das Gericht, die zweite Regel nicht mehr zur Anwendung bringt.

Tipp für Käufer: Die besten Chancen auf einen Zuschlag haben Sie, wenn das Gebot etwa bei 70 Prozent des Verkehrswertes liegt. Damit sparen Sie im besten Fall 30 Prozent. Das kann – je nach Zustand der Immobilie – ein ziemliches Schnäppchen sein.

3. Akt: Nach dem erfolgten Zuschlag

Sollten Sie das Haus erfolgreich ersteigert haben, dann müssen Sie innerhalb von 6 Wochen die Finanzierung und die nötigen Versicherungen organisieren. Das Amtsgericht lädt innerhalb dieser Zeit den Käufer und die Gläubiger zu einem so genannten Verteilungstermin ein. Die Einladung erfolgt meist zwei Wochen vor Termin. Auf dem nicht öffentlichen Termin wird – vereinfacht gesagt - geklärt, welchem Gläubiger welche Summe zusteht, welche Schulden offen sind, welche Zinsen innerhalb welcher Zeiträume und Umschreibungskosten für Grundbucheinträge und die Zahlung der Grunderwerbssteuer für den Käufer anstehen. Die bereits gezahlte Sicherheitsanzahlung vom Käufer wird mit den offenen Beträgen verrechnet.

FAQ: Häufige Fragen zur Zwangsversteigerung bei Immobilien

Welche Voraussetzungen sind nötig, um bei einer Zwangsversteigerung mitzubieten?

Welche Nebenkosten fallen bei einer zwangsversteigerten Immobilie weg?

Wo findet man Immobilien, die zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben sind?

Was heißt Mindestgebot bei einer zwangsversteigerten Immobilie?

Darf man eine Immobilie vor der Zwangsversteigerung besichtigen?

Wie lange hat man Zeit, den Kaufpreis für eine Zwangsversteigerung zu bezahlen?

Was passiert mit der Grundschuld bei einer Zwangsversteigerung?

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