Wenn Grenzbepflanzung zum Streitthema wird

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Stephan Dingler

Rechtsanwalt

Die Grenzbepflanzung zwischen Grundstücken gibt immer wieder Anlass zum Streit unter Nachbarn. Das weiß Rechtsanwalt Stephan Dingler aus seiner alltäglichen Beratungstätigkeit beim Verband Wohneigentum NRW und gibt Beispiele aus dem Nachbarrechtsgesetz NRW.

Zwei ältere Herren diskutieren im Garten  © Viktor Pryymachuk – stock.adobe.com
Nachbarn an der Grundstücksgrenze: Grenzbepflanzung führt häufig zum Streit. 

„Wir vom Verband sind regelmäßig als Schlichter gefragt. Manchmal stören Äste von Bäumen und Sträuchern, die auf das Nachbargrundstück ragen, ein anderes Mal wurde der gesetzlich festgesetzte Mindestabstand der Grenzbepflanzung zur Grundstücksgrenze nicht eingehalten“, so Stephan Dingler, Rechtsberater des Verband Wohneigentum NRW e.V.
Laut Nachbarrechtsgesetz NRW besteht in den ersten sechs Jahren ein Anspruch auf Beseitigung der Pflanzen, wenn der gesetzliche Mindestabstand nicht eingehalten wird.

Mindestabstände für Bäume

Ein Abstand der Grenzbepflanzung von vier Metern gilt für stark wachsende Bäume (wie beispielsweise Eichen oder Platanen). Gemessen wird immer von der Mitte des Baumes aus. Für „alle übrigen Bäume“ muss laut Gesetz ein Abstand von zwei Metern zur Grundstücksgrenze eingehalten werden.
Die Regelung für Obstbäume ist etwas komplizierter: Befinden sich Kernobstbäume (wie Apfel oder Birne) auf einer stark wachsenden Unterlage, muss der Mindestabstand zum Nachbargrundstück zwei Meter betragen. Bei einer mittelstark wachsenden Unterlage reichen 1,5 Meter aus. Und bei einer schwach wachsenden Unterlage genügt ein Mindestabstand von einem Meter. Mit anderen Worten: Bei Kernobstbäumen ist vor allem die Unterlage entscheidend.

Veredelungsunterlage bei Bäumen – was ist das?

„Das Schwierige daran ist, dass kaum ein Hobbygärtner weiß, was eine Unterlage überhaupt ist, geschweige denn, ob seine Obstbäume nun auf einer schwach, mittelstark oder stark wachsenden Unterlage stehen. Manchmal finden sich bei neu gekauften Bäumen dazu Informationen auf dem Etikett. Hier wird neben dem Sortennamen auch die Wuchsstärke der Veredelungsunterlagen angegeben (z. B. starkwüchsig). Die Veredelungsunterlage muss bekannt sein, um so den Mindestgrenzabstand einhalten zu können“, erklärt Philippe Dahlmann, hauptamtlicher Gartenberater beim Verband Wohneigentum NRW e.V. und Ansprechpartner für Mitglieder.

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Regelung bei Beerenobststräuchern

Bei Beerenobststräuchern beträgt der Mindestabstand zum Nachbarn einen halben Meter. Eine Ausnahme bilden Brombeeren, bei denen ein Abstand von einem Meter eingehalten werden muss. Wichtig: Zier- und Beerenobststräucher dürfen in ihrer Höhe das Dreifache ihres Abstandes zum Nachbargrundstück nicht überschreiten.

Sonderregelungen für Hecken

Eine Besonderheit in der Grenzbepflanzung ist die Abstandsregelung bei Hecken. Hier wird der Abstand nicht von der Mitte der Pflanze berechnet, sondern von der zu erwartenden Ausdehnung.  Bei Hecken bis zwei Meter Höhe ist der Abstand zuzüglich einem halben Meter zu beachten; bei Hecken über zwei Meter Höhe zuzüglich einem Meter. Eine klar definierte Höhenbegrenzung gibt es im Nachbarrechtsgesetz NRW nicht. Auch hier sollten die Bedürfnisse des Nachbarn bedacht werden, der in seinem Garten ebenfalls die Sonne genießen möchte. Der Verband Wohneigentum plädiert grundsätzlich für nachbarschaftliche Rücksichtnahme.

Schon beim Pflanzenkauf informieren

„Verständlicherweise sind viele Gartenbesitzern unsicher, denn wer blickt vor dem Kauf einer Pflanze in den Gesetzestext. Hier wäre beispielsweise der Berater im Gartencenter oder in der Baumschule gefragt, der seine Kunden auf das Thema Mindestabstand aufmerksam machen müsste“, sagt Stephan Dingler.

Regelmäßiger Rückschnitt trotz Verjährungsfrist

Nach sechs Jahren verjährt gemäß § 47 Nachbarrechtsgesetz NRW der Anspruch auf Beseitigung der Pflanzen. Allerdings besteht ein Anspruch auf regelmäßigen Rückschnitt des Überwuchses.
Doch auch hier gibt es immer wieder Anlass für Streit, da die Meinungen oft auseinandergehen, wann und wie häufig solch ein Rückschnitt erfolgen muss. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen sogenannten Form- und Pflegeschnitten sowie starken Schnitteingriffen. Erstere dürfen das ganze Jahr über durchgeführt werden. Letztere dürfen nicht innerhalb der Schonzeit vom 1. März bis zum 30. September eines Jahres erfolgen (Paragraf 39 Bundesnaturschutzgesetz). Die Schonzeit betrifft Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtsstätten für Tiere.
Zu den geschützten Pflanzen gehören in erster Linie Hecken, Wallhecken, Gebüsche sowie Röhricht- und Schilfbestände. Diese dürfen weder gerodet, abgeschnitten oder zerstört werden. Unberührt davon bleiben schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen.

Rücksichtnahme beugt Nachbarstreit vor

Um den Nachbarschaftsfrieden zu wahren, rät der Verband Wohneigentum NRW e.V., ab Oktober den Grenzbewuchs etwas genauer zu betrachten und die Bepflanzung – möglichst unaufgefordert – bis Ende Februar stark zurückzuschneiden. So lässt sich mit ein wenig Rücksichtnahme eine gute Nachbarschaft ein Leben lang erhalten.

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