Nachbar filmt mein Grundstück: Ist Videoüberwachung erlaubt?

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Stephan Dingler

Rechtsanwalt

Einbruchschutz auf der einen Seite, Privatsphäre auf der anderen – wenn der Nachbar Kameras installiert, kann es schnell problematisch werden.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Grundsätzlich dürfen Grundstückseigentümer Kameras installieren und das eigene Grundstück überwachen.
  • Nicht erlaubt ist es jedoch, öffentliche Straßen, Gehwege oder das benachbarte Grundstück zu filmen.
  • Grundgesetz und Datenschutzverordnung schützen die Privatsphäre vor unzulässiger Videoüberwachung.
  • Wenn Ihr Nachbar Ihr Grundstück filmt, können Sie sich an die Datenschutzaufsichtsbehörde wenden oder Ihre Ansprüche mit einer Klage durchsetzen.
  • Auch eine Kamera-Attrappe oder defekte Geräte können unzulässig sein, wenn sie auf das Nachbargrundstück gerichtet sind.
Der Nachbar hat eine Kamera installiert.  © SimplyAdrienne – stock.adobe.com
Wenn Ihr Nachbar eine Kamera installiert hat, darf er Ihr Grundstück nicht filmen. 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Grundsätzlich dürfen Grundstückseigentümer Kameras installieren und das eigene Grundstück überwachen.
  • Nicht erlaubt ist es jedoch, öffentliche Straßen, Gehwege oder das benachbarte Grundstück zu filmen.
  • Grundgesetz und Datenschutzverordnung schützen die Privatsphäre vor unzulässiger Videoüberwachung.
  • Wenn Ihr Nachbar Ihr Grundstück filmt, können Sie sich an die Datenschutzaufsichtsbehörde wenden oder Ihre Ansprüche mit einer Klage durchsetzen.
  • Auch eine Kamera-Attrappe oder defekte Geräte können unzulässig sein, wenn sie auf das Nachbargrundstück gerichtet sind.

Darf mein Nachbar eine Kamera installieren?

Grundsätzlich hat Ihr Nachbar das Recht, eine Kamera zu installieren und das eigene Grundstück zu überwachen. Ein konkreter Anlass, wie etwa die berechtigte Sorge vor einem Einbruch, ist dabei nicht erforderlich. Dieses Recht endet aber an der Grundstücksgrenze: Nicht erlaubt ist es, mit der Kamera öffentliche Bereiche (z. B. Straße und Gehweg) oder das Nachbargrundstück zu filmen. Hier greift die Datenschutzgrundverordnung, die eine solche Überwachung in den meisten Fällen verbietet.

Auch das Recht auf Privatsphäre spielt eine Rolle: Das Gefühl, von einer fremden Kamera beobachtet zu werden, muss man auf dem eigenen Grundstück nicht hinnehmen. Als gefilmter Nachbar haben Sie Unterlassungsansprüche – und zwar unabhängig davon, ob die Kamera tatsächlich aufnimmt.

Rechtliche Grundlagen zur Installation von privaten Überwachungskameras

  • Zunächst einmal gewähren Grundgesetz und Bürgerliches Gesetzbuch (§ 903) das Recht, auf dem eigenen Grundstück zu tun, was immer man will. Demnach ist es auch erlaubt, eine Überwachungskamera zu installieren – jedoch nur mit Einschränkungen. Denn es greifen weitere Gesetze:

    1. Artikel 2 des Grundgesetzes: Aus dieser Regelung lässt sich das Persönlichkeitsrecht ableiten – ein Grundrecht, das durch unzulässige Videoüberwachung eingeschränkt wird. Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (= das Recht, selbst zu entscheiden, was mit personenbezogenen Daten und folglich auch mit Videoaufnahmen passiert) ist hier verankert.
    2. Datenschutz-Grundverordnung: Die DSGVO reglementiert europaweit die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Für privat installierte Kameras auf dem eigenen Grundstück gilt sie nur eingeschränkt. Falls hingegen die Kamera öffentliche Bereiche oder fremde Grundstücke erfasst, greift die DSGVO auch bei privaten Aufzeichnungen.
    3. Bundesdatenschutzgesetz: Das nationale Gesetz enthält weitere Vorschriften und ergänzt damit die europäische DSGVO. Hier ist unter anderem geregelt, dass öffentliche Bereiche nur überwacht werden dürfen, wenn die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen nicht überwiegen.
    4. § 823 und § 1004 BGB: Diese Vorschriften begründen eventuelle Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche bei unerlaubter Videoüberwachung.

Darf mein Nachbar mein Grundstück filmen?

Aus den oben genannten Regelungen ergibt sich eindeutig, dass Ihr Nachbar Ihr Grundstück nicht filmen darf.

Gut zu wissen: Es kommt nicht darauf an, ob die Kamera auch wirklich in Betrieb ist oder die Aufzeichnungen technisch zensiert werden (z. B. Verpixelung/Ausblendung bestimmter Bereiche durch eine Software). Schon die Präsenz einer aufs Nachbargrundstück gerichteten Kamera reicht aus, um einen unzulässigen Überwachungsdruck zu erzeugen.

Überwachungsdruck: Urteile gegen Kameras begründen die Gerichte oft mit dem sogenannten Überwachungsdruck – dem objektiv nachvollziehbaren Gefühl, überwacht zu werden. Wichtig dafür ist, was von außen objektiv erkennbar und theoretisch möglich ist: So lässt sich z. B. nicht feststellen, ob eine Kamera ein- oder ausgeschaltet ist oder in welche Richtung eine moderne Dome-Kamera filmt.

Ebenfalls irrelevant ist, was Ihr Nachbar mit den Aufnahmen macht. Auch wenn keine Speicherung oder Weitergabe erfolgt, ist das Filmen von Nachbargrundstücken unzulässig.

Wann ist die Videoüberwachung durch den Nachbarn unzulässig?

Zunächst ist generell die direkte Überwachung von benachbarten Grundstücken verboten.

Chancen, gegen die Kamera des Nachbarn vorzugehen, haben Sie in diesen Fällen:

  • Kamera ist auf sensible Bereiche Ihres Grundstücks (z. B. Fenster, Terrasse oder Balkon) gerichtet
  • Kamera erfasst gemeinsam genutzte Bereiche, ohne dass Sie einer Videoüberwachung zugestimmt haben, z. B. die Zufahrt
  • Kamera lässt sich ohne manuelle Eingriffe auf Ihr Grundstück schwenken
  • Nachbar hat Dome-Kamera montiert, deren Ausrichtung von außen nicht erkennbar ist

In diesen Fällen müssen Sie die Kamera des Nachbarn wahrscheinlich tolerieren:

  • Fest installierte Kamera zeigt nicht auf Ihr Grundstück und lässt sich auch nicht elektronisch darauf ausrichten
  • Kamera erfasst nur unwesentliche Ausschnitte Ihres Grundstücks (z. B. Grundstücksrand ohne Aufenthaltsort) und der Nachbar hat ein besonderes Interesse an der Überwachung (etwa durch wiederholte Einbrüche oder Vandalismus)

Meist entscheiden Gerichte im Sinne des Persönlichkeitsrechts. Ob eine eventuelle Klage Erfolg hat, hängt jedoch immer von den individuellen Faktoren (konkrete Ausrichtung, erhöhtes Sicherheitsrisiko wegen vergangener Einbrüche usw.) ab. Ausschlaggebend ist häufig auch das generelle nachbarschaftliche Verhältnis.

Zudem spielt die Art der Kamera eine Rolle:

Schwenkbare Kamera

  • Eine schwenkbare Kamera kann dann unzulässig sein, wenn sie durch elektronische Steuerung sensible Bereiche des Nachbargrundstücks erfassen kann. Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Ausrichtung an: Relevant ist vielmehr die technische Möglichkeit, die Kamera ohne großen Aufwand zu drehen und das Nachbargrundstück zu erfassen. Daher kann bereits die Installation einer elektronisch schwenkbaren Kamera rechtswidrig sein, auch wenn diese nur das eigene Grundstück erfassen soll.

360°-Kamera/Dome-Kamera

  • Dome-Kameras mit Rundumsicht sind meist noch problematischer, da sich von außen nicht erkennen lässt, welche Bereiche die Kamera erfasst. Betroffene Nachbarn haben gute Chancen, mit dem Argument des Überwachungsdrucks ihre Ansprüche durchzusetzen.

Kamera-Attrappen

  • Kamera-Attrappen fallen nicht unter die Regeln der DSGVO, da sie keine Daten erheben. Allerdings kann auch eine Kamera-Attrappe (ebenso wie eine defekte Kamera) rechtswidrig sein, wenn sie z. B. direkt auf das Grundstück der Nachbarn gerichtet ist. Hier kommt es nicht auf die tatsächliche Überwachung an; ausschlaggebend ist der Überwachungsdruck. Ansprüche dagegen können Sie mithilfe einer zivilrechtlichen Klage durchsetzen.

Nachbar hat Kamera auf mein Grundstück gerichtet – Was tun?

Ihnen stehen verschiedene Möglichkeiten offen, gegen die rechtswidrige Videoüberwachung vorzugehen:

Mit dem Nachbarn sprechen

Im ersten Schritt empfiehlt sich bei nachbarschaftlichen Problemen immer das direkte Gespräch. Sprechen Sie Ihren Nachbarn auf die installierte Kamera an und erläutern Sie Ihre Bedenken – vielleicht war ihm gar nicht bewusst, dass Sie die Situation als störend empfinden (und nicht etwa als kostenlosen, zusätzlichen Einbruchschutz).

Auskunft einfordern

Gemäß DSGVO haben Sie ein Recht auf Auskunft, wenn Sie begründet der Ansicht sind, dass Ihr Nachbar Sie filmt. Dazu fordern Sie Ihren Nachbarn am besten schriftlich auf. Ihr Nachbar ist zur Auskunft gemäß Artikel 15 DSGVO innerhalb eines Monats verpflichtet.

Schriftliche Abmahnung

Eine weitere, schon etwas offiziellere Maßnahme ist die schriftliche Aufforderung, die Videoüberwachung des fremden Grundstücks zu unterlassen und vorhandene Aufnahmen zu löschen. Häufig übernehmen Anwälte diese Form der Kommunikation; Sie können das Schreiben aber auch selbst aufsetzen. Nennen Sie Ihrem Nachbarn dafür eine Frist und weisen Sie auf mögliche Konsequenzen hin. Zusätzlich können Sie eine Unterlassungserklärung beifügen, die Ihr Nachbar im Idealfall unterschreibt.

Beschwerde bei der Datenschutzaufsichtsbehörde

Bei unerlaubter Videoüberwachung können Sie sich an die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde Ihres Bundeslands wenden (z. B. Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW). Diese ist zuständig für Verstöße gegen den Datenschutz und hält ein Formular für Beschwerden bereit. Liegt eine rechtswidrige Überwachung vor, kann die Behörde eine Neuausrichtung verlangen und ein Bußgeld verhängen. Allerdings sind ihre Befugnisse auf Privatgrundstücken eingeschränkt.

Klage

Mit einer zivilrechtlichen Klage können Sie Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung sowie Schadensersatz geltend machen. Allerdings müssen Sie dafür nachweisen, dass die Kamera des Nachbarn tatsächlich Ihr Grundstück filmt oder Sie dies objektiv nachvollziehbar befürchten müssen (Überwachungsdruck).

Selbsthilfe

Auch wenn es verlockend erscheint – die Kamera Ihres Nachbarn sollten Sie auf keinen Fall selbstständig demontieren oder außer Funktion setzen. Selbst vermeintlich harmlose Aktionen können als Sachbeschädigung und unbefugtes Betreten ausgelegt werden. Dagegen wiederum kann Ihr Nachbar rechtlich vorgehen.

Tipp: Vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung sollten Sie sich von einem Anwalt über die Erfolgsaussichten beraten lassen. Für Mitglieder bietet der Verband Wohneigentum NRW eine kostenlose Rechtsberatung an.

Wie beweise ich, dass mein Nachbar mich filmt?

Die Schwelle ist bei Streitigkeiten um Videoüberwachung relativ niedrig. So müssen Sie nicht nachweisen, dass die Kamera tatsächlich Ihr Grundstück filmt. Es reicht aus, wenn Sie dies befürchten und objektiv nachvollziehbar belegen können. Das ist bereits der Fall, wenn die Kamera (gelegentlich) in Ihre Richtung zeigt oder sich die Ausrichtung von außen nicht erkennen lässt. Mögliche Beweise sind:

  • Fotos oder Videos, die die Position und Ausrichtung dokumentieren (Vorsicht: Achten Sie darauf, dass Sie nicht Ihrerseits das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn verletzen, indem Sie ihn oder private Bereiche seines Grundstücks fotografieren/filmen)
  • Zeugenaussagen, z. B. von anderen Nachbarn oder Besuchern
  • Produktinformationen zur Kamera, z. B. Reichweite, besondere Funktionen
  • Nachweise der Kommunikation, z. B. schriftliche Aufforderung zur Unterlassung, Dokumentation von mündlichen Aussagen
  • Gutachten eines Sachverständigen

Gut zu wissen: Gelingt Ihnen der Beweis, dass eine Videoüberwachung stattfindet, trifft auch Ihren Nachbarn eine Beweislast: Er muss dann nachweisen, dass seine Kameras die datenschutzrechtlichen Vorschriften einhalten.

Kann ich verlangen, dass mein Nachbar die Kameras entfernt?

Eine vollständige Demontage zu erreichen, dürfte schwer werden. Ihre Rechte beschränken sich darauf, nicht gefilmt/überwacht zu werden und dies nicht befürchten zu müssen. Dazu reicht in vielen Fällen eine Neuausrichtung aus. Anders sieht es bei automatisch schwenkbaren und Dome-Kameras aus: Da hier eine unzulässige Überwachung theoretisch jederzeit möglich ist, ordneten Gerichte in der Vergangenheit bereits die Entfernung dieser Kameras an.

Welche Strafe ist möglich, wenn der Nachbar eine Kamera installiert hat?

Bei unzulässiger Videoüberwachung können Behörden und Gerichte verschiedene Strafen verhängen:

  • Anordnung, die Kamera neu auszurichten oder zu entfernen
  • Geldstrafe bzw. Bußgeld beim Verstoß gegen den Datenschutz
  • Ordnungsgeld und Ordnungshaft für den Fall, dass der filmende Nachbar trotz Gerichtsurteil die Überwachung fortsetzt
  • in besonderen Fällen: Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld

Häufige Fragen zur Kamera auf dem Nachbargrundstück

Nachbar hat Kamera installiert – kann ich die Polizei rufen?

Rechtfertigt ein Hinweisschild die Videoüberwachung durch den Nachbarn?

Was darf der Nachbar filmen?

Wie weit muss eine Kamera vom Nachbargrundstück entfernt sein?

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Stephan Dingler
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