Neuer Nachbar – neue Regeln?

Häufig leben Nachbarn viele Jahre harmonisch zusammen. Für alle Bau- und Pflanzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze sind mündliche Absprachen getroffen worden. Die Gartenhütte, die leicht über die Grenze hinausragt oder der vor 20 Jahren gepflanzte Walnussbaum, der ebenfalls zu nah an der Grenze steht, waren nie ein Problem. Doch was ist, wenn ein Haus verkauft wird und der neue Nachbar diese „Altabsprachen“ aufheben möchte?

Garten mit Beeten, Weg und Gartenhaus  © Verband Wohneigentum NRW e.V.
Für Bau- und Pflanzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn können Absprachen existieren; sie sind für neue Eigentümer aber nicht zwangsläufig bindend. 

 

Unerkannte Überbauung

Der Verband Wohneigentum NRW e.V. bringt nachfolgend ein wenig Licht ins juristische Dunkel, was bei einem Eigentümerwechsel mit der Grenzüberbauung passiert.
In vielen gewachsenen Siedlungen ist es keine Seltenheit, dass Eigentümer beispielsweise bei der Errichtung eines Geräteschuppens ein wenig über die Grenze des Nachbarn gebaut haben. Die Fachwelt spricht dann von einer sogenannten „Überbauung“. Oft wird solch ein Umstand erst nach einer genauen Vermessung und Abmarkung der Grundstücke erkannt. Und meist liegt in einem solchen Fall kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vor. Welche Abstände einzuhalten sind – auch für Bepflanzungen – definiert hierzulande das Nachbarrechtsgesetz NRW.

Duldung der Überbauung

Regelmäßig stellt sich die Frage, ob ein Nachbar die Überbauung zu dulden hat. Viele Nachbarn fanden in der Vergangenheit eine gütliche Einigung, sodass die Überbauung kein Thema war und auch nicht für Streit sorgte. Und wenn kein oder nur ein verspäteter Widerspruch eingereicht wurde, musste der Eigentümer den Überbau anstandslos akzeptieren. Zum Ausgleich für den Nutzungsverlust konnte er aber immer schon eine Entschädigung verlangen, die jährlich entrichtet wurde – die sogenannte Überbaurente. Ihre Höhe richtet sich nach dem Verkehrswert der überbauten Fläche zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung.

Änderungen bei Eigentümerwechsel

Wechselt ein Haus den Besitzer, muss sich der neue Eigentümer keinesfalls an frühere Absprachen zwischen den Altnachbarn halten. Ein Beispiel: Der Vorbesitzer des Eigenheims ließ zu, dass der Altnachbar auf seinem Grund bauliche Veränderungen vornahm, wie das Errichten eines Kanals. Der neue Eigentümer muss diese bauliche Maßnahme nur dulden, wenn sie auch im Grundbuch eingetragen ist. Ansonsten kann er eine Beseitigung verlangen. Selbst eine Eintragung als Baulast im Baulastenverzeichnis genügt hier nicht, wie das Oberlandesgericht Oldenburg 2014 entschied. In der Entscheidung des Oldenburger Gerichts ist der Grundsatz ersichtlich, dass Abreden im Nachbarrecht grundsätzlich nur gegenüber demjenigen wirksam sind, mit dem sie getroffen wurden. Außer sie sind durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch festgehalten oder unterliegen dem sogenannten Bestandsschutz.

Bestandsschutz bei Pflanzen

Der Bestandschutz gilt oftmals bei Pflanzen. Werden Pflanzabstände nicht eingehalten, können in der Regel Ansprüche auf Rückschnitt oder gar Entfernung geltend gemacht werden.
Der Grenzabstand bestimmter Pflanzen zur Grundstücksgrenze wird grundsätzlich durch die Landesnachbarrechtsgesetze geregelt. Dagegen regelt das BGB, was passiert, wenn Äste und Wurzeln von Pflanzen den Grenzabstand unterschreiten oder gar darüber hinweg wachsen. Dem Nachbarn, auf dessen Grundstück sie derart herüberragen, dass sie die Benutzung beeinträchtigten, steht ein Anspruch auf Beseitigung der Störung aus § 910 BGB zu.

Kein eigenmächtiges Vorgehen

Erforderlich ist zuvor eine Fristsetzung zur Beseitigung der Störung. Reagiert der Nachbar nicht, kann der Geschädigte den Überhang auch selbst entfernen (lassen) und die Kosten dem Nachbarn in Rechnung stellen.
In einigen Gemeinden gilt es zudem, Baumschutzsatzungen oder -verordnungen zu beachten, die einen Rückschnitt geschützter Bäume einschränken oder ausschließen. Grundsätzlich gelten also mündliche Absprachen zwischen Altnachbarn beim Verkauf einer Immobilie für den neuen Eigentümer nicht zwangsläufig weiter. Ein Altnachbar kann sich auch nicht auf ein Gewohnheitsrecht berufen.
Der neue Eigentümer muss sich den Vereinbarungen nur fügen, wenn beispielsweise ein Überbau ins Grundbuch eingetragen wurde oder es eine schriftlich fixierte und möglichst notariell beglaubigte Vereinbarung gibt, auf die sich der Altnachbar berufen kann. Doch wie immer gilt auch hier, das offene Gespräch zu suchen und es nicht direkt auf eine juristische Auseinandersetzung ankommen zu lassen.
Wer mehr über Grenzbebauung und Grenzbepflanzungen wissen möchte, findet hilfreiche Infos in früheren Beiträgen zum Thema. Auch unsere kostenfreie Rechtsberatung für Mitglieder hilft!