BFH-Urteil zur Grundsteuer: „Gerechtigkeitsdefizit in NRW bleibt!“

Der Bundesfinanzhof hat am 10.12.25 drei Klagen gegen die auch in NRW angewandten Bewertungsregeln für die neue Grundsteuer abgewiesen. „Damit sind noch lange nicht alle juristischen Streitpunkte beendet. Am Ende geht es aber um ein Gerechtigkeitsdefizit der Grundsteuer, das gar nicht vor Gericht gelöst werden kann“, kommentiert Jan Koch, Geschäftsführer des Verband Wohneigentum NRW.

Portrait von Politikreferent Jan Koch  © Verband Wohneigentum NRW e.V.
Jan Koch, Geschäftsführer des Verband Wohneigentum Nordrhein-Westfalen e.V. 

Er fordert deshalb: „Nach mehr als 60 Jahren verschlampter Reform müssen wir uns über grundlegende Alternativen für diese Grundsteuer unterhalten – und nicht immer weiter eine ungerechte Steuer verschlimmbessern! Die Grundsteuer kommt aus dem Mittelalter – und das Alter merkt man ihr an!“

BFH-Entscheidung löst Probleme nicht

Dass der Bundesfinanzhof die Klagen gegen die neue Grundsteuer in NRW abgewiesen hat, ist für viele Eigentümerinnen und Eigentümer eine herbe Enttäuschung. „Grundsätzlich sollte man wissen: Auch wenn die Regeln für die neue Grundsteuer per Gericht gekippt worden wären, hätten davon höchstens einige Grundsteuer-Zahler profitiert. Andere hätten verloren – denn es geht immer um die Veränderung eines Verteilungsmaßstabs. Und selbst bei einer Verfassungswidrigkeit wäre nicht klar gewesen, ob angefochtene Grundsteuer-Bescheide überhaupt rückwirkend geändert worden wären“, erklärt Koch. Das Kernproblem der Grundsteuer liege seiner Meinung nach an einer anderen Stelle: „Aufwand und Ertrag liegen bei der Grundsteuer in keinem sinnvollen Verhältnis. Ein wirklich gerechtes Modell gibt es auch nicht. Deshalb sollte man besser über grundsätzliche Alternativen zur Grundsteuer nachdenken!“

Warum der juristische Streit nach dem BFH-Urteil nicht vorbei ist

Im Zentrum der vorm BFH verhandelten Klagen stand die Anwendung von pauschalen Bodenrichtwerten sowie fiktiven Nettokaltmieten. Auch wenn der BFH das Ertragswertverfahren für verfassungskonform hält, ist noch eine Verfassungsbeschwerde möglich. Damit könnte die neue Grundsteuer am Ende doch noch beim Bundesverfassungsgericht landen.

„Der juristische Streit dürfte in NRW aber auch in vielen tausend Einzelfällen weitergehen. Zum Beispiel bei unbebauten und nicht bebaubaren Grundstücken. Hier trifft das Bewertungsgesetz keine hinreichenden Vorgaben – es wird also in Zukunft noch sehr oft um die konkreten Auslegungen der Finanzbehörden gestritten werden. Und auch zu den Bodenrichtwerten hat der BFH klargestellt: Gegen die Ermittlung der Werte kann es zu berechtigten Einwänden kommen“, erklärt Koch.

Dreifaches Gerechtigkeitsdefizit in NRW

Auch wenn der Bundesfinanzhof das in NRW angewandte Grundsteuer-Modell für verfassungskonform hält, seien die Probleme um die Grundsteuer nicht gelöst: „Es gibt eben einen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit“, meint Koch. Und genau dieses Gerechtigkeitsdefizit komme in NRW mehrfach zum Tragen. Dabei ginge es nicht nur um die teils absurden Ungleichbehandlungen durch das Bewertungssystem.

„Die Grundsteuer in NRW wurde durch die Reform fürs Wohnen teurer und fürs Gewerbe günstiger. Ermäßigte Hebesätze für Wohngrundstücke, die diesen Effekt abmildern könnten, haben nur gut ein Viertel der NRW-Städte eingeführt. Weil ein weiteres Grundsteuer-Urteil aus Gelsenkirchen die ermäßigten Hebesätze letzte Woche gekippt hat, sind hier weitere Kostensteigerungen zu befürchten. Und als wäre all das nicht genug: Weil die Finanzämter im Laufe des Jahres massenweise falsche Grundsteuer-Bescheide nach unten korrigieren mussten, blieben die Einnahmen der NRW-Städte weit hinter ihren Prognosen zurück. Die Konsequenz: Im nächsten Jahr werden die Hebesätze also doppelt steigen. Das verschlimmert das Gerechtigkeitsproblem der Grundsteuer-Reform", befürchtet der Experte aus NRW. Dass so viele Grundsteuer-Bescheide korrigiert werden mussten, zeige aber auch, dass in der tatsächlichen Ausführung der Reform noch immer zahlreiche Fehler passiert sind. „Und die Beseitigung dieser Fehler wird uns praktisch und auch juristisch noch viele Jahre begleiten“, meint Koch.

Beispiele für die strukturellen Unstimmigkeiten des in NRW angewandten Bewertungsmodells

Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass strukturelle Ungleichbehandlungen nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstoßen, wenn dadurch der Verwaltungsaufwand verringert werden kann und sich diese im Rahmen halten. Aus der Beratungspraxis können wir drei teil absurde Beispiele für solche Ungleichbehandlungen aufführen.

Bebaubar oder nicht? Für die Grundsteuer egal!

Der Fall: Gut 1.000 m² Zuwegungen zu Reihenhäusern in Dortmund, Eigentümer der Wege ist ein uns angeschlossener Verein, eine Bebauung ist ausgeschlossen
Bodenrichtwert: 280 Euro/m² (Wohnbaufläche)

Grundsteuerwert: 271.300 Euro
Grundsteuer: 1.148 Euro p.a.

Weniger Wohnfläche = 45.000 Euro mehr Wert

Der Fall: Ein Zweifamilienhaus in Dortmund
800 m² Grundstücksfläche, Bodenrichtwert: 300 Euro/m², Baujahr: 1979

zwei Wohnungen mit je 59 m²:
Grundsteuerwert: 276.500 Euro
Grundsteuer: 535 Euro p.a.

Hätten die zwei Wohnungen je 60 m² :
Grundsteuerwert: 231.100 Euro
Grundsteuer: 448 Euro p.a.

Kernsanierung = 50.000 Euro Wertminderung

Der Fall: Ein Einfamilienhaus in Düsseldorf
110 m² Wohnfläche, 850 m² Grundstücksfläche, Bodenrichtwert: 1.050 Euro/m², Baujahr: 1950

Kernsanierung im Jahr 2020:
Grundsteuerwert: 582.300 Euro
Grundsteuer: 675 Euro p.a.

Wäre keine Kernsanierung erfolgt:
Grundsteuerwert: 632.100 Euro
Grundsteuer: 733 Euro p.a.